Das Jahr ist schon längst in der zweiten Hälfte angelangt. Vor einigen Monaten, zum Jahresbeginn gab es wieder das eine feste Ritual in meinem Leben. Die Jahreslosung. Suche Frieden!
Alljährlich wird ein Bibelvers ausgesucht, der über den kommenden zwölf Monaten stehen soll. Darüber predigt man dann in verschiedenen Gottesdiensten, man liest den Vers an verschiedenen Stellen und schaut sich manchmal sogar ein kleines Video an.
Alljährlich genieße ich die unglaubliche Tiefe der ausgesuchten Verse. Diejenigen, die die Jahreslosungen festlegen, machen eine tolle Arbeit! In jeder Jahreslosung steckt weit mehr, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Für Theologen sind es Verse, die wirklich Spaß machen, für alle Menschen sind es Verse, die ganze Landstriche verändern können.
Dieses Jahr war ich leider von manchen Kollegen etwas enttäuscht. Eine ganze Reihe von Auslegungen waren lange vor dem Jahresbeginn veröffentlicht. Einige schossen leider weit über das Ziel hinaus.
Suche Frieden und jage ihm nach steht in Psalm 34,15. In diesen Worten steckt Kraft. Hier drin steckt auch Spannung. Man kann viel über Frieden, über Imperative und menschliche Aufgaben sprechen. Mir ist aber immer auch wichtig, herauszufinden, was mit dem Satz ursprünglich gemeint war. Um welchen Frieden geht es?
Kontext beachten!
Man darf Bibelverse nicht aus dem Zusammenhang reißen. Das ist gefährlich. Mit einzelnen Phrasen aus der heiligen Schrift könnte und konnte man schon vielerlei Mist belegen. Viel Leid wurde auf Grund von dubiosen Bibelzitaten verursacht. Wenn man nun auf Grund von der Jahreslosung einen wie auch immer gearteten Pazifismus propagiert, wird das dem Kontext nicht gerecht.
Psalm 34 steht in einem ganz konkreten Zusammenhang. Naja, richtig konkret ist er eigentlich nicht, denn die sachlichen Angaben sind etwas schwierig. Es geht um König David, der sich bei König Abimelech verrückt stellte.1 Wenn du in diese Geschichte etwas intensiver hinein schaust, wirst du feststellen, dass jeglicher angedichtete Pazifismus nicht passt.
Lies es selbst nach. Die folgenden Kapitel nach 1. Samuel 21 reichen schon vollkommen aus. Da liest du, wie David mit seiner Mannschaft einen Kampf nach dem anderen führt, wie er Gegner regelrecht massakriert. Manche Situationen lassen sich schlichtweg nicht durch Teetrinken und Abwarten lösen. Das gilt auch heute noch.
Die Bedeutung – Shalom.
Trotzdem sagt David, der David, dem nachgesagt wurde, er hätte zehntausend Männer erschlagen: “Suche Frieden und jage ihm nach!” Wie passt das zusammen?
Nun, das hebräische Wort, welches hier steht, lautet Shalom. Shalom hast du sicher schon mal gehört. Es ist ein wichtiges Wort – und vor allem ein bedeutsames Wort.
Shalom kann man eigentlich gar nicht richtig in unsere Sprache übersetzen. Gerhard von Rad, ein bekannter Theologe für das Alte Testament schrieb als mögliche Annährung einer Erklärung: “Die Unversehrtheit, die Ganzheit eines Gemeinschaftsverhältnisses, also einen Zustand harmonischen Gleichgewichtes, der Ausgewogenheit aller Ansprüche und Bedürfnisse zwischen zwei Partnern.”2
Diese zwei Partner sind aber nicht unbedingt nur Menschen. Shalom hat eine überirdische Dimension. Es geht um Gottes Frieden, Gleichgewicht zwischen Gott und Mensch, Vergebung von Sünden, Frieden im Herzen. Shalom meint innere Zufriedenheit, Gelassenheit und Freude – auch wenn die äußeren Umstände nicht perfekt sind.
Es ist also keine menschlich mögliche Harmonie gemeint. Shalom bezeichnet das, was nur Gott selbst vermag, sein Reich, seinen Frieden.
Frieden in deinem Herzen.
Es geht also um dein Herz. Die Aufforderung “suche Frieden und jage ihm nach” ist nicht in erster Linie ein Imperativ für dein Verhalten gegenüber anderen. Es geht um dich, um dein Herz. Es ist die Aufforderung, deinen Frieden, deine Gelassenheit in deinem eigenen Leben zu entdecken. Diesen Frieden kann nur einer geben. Ohne Ihn bleibt alles nur menschliches Machwerk, welches eine zutiefst zerbrochene Welt niemals kitten könnte. Ohne Ihn bleibt alles vergebliche Müh.
Die Anregung von Thomas Zimmermann auf dem Logos-Blog, die Jahreslosung ein wenig umzuformulieren, finde ich sehr gelungen. Er schreibt: „Suche Christus und jage ihm nach!” Damit rückt der eigentliche Kern aus Davids Anliegen ein wenig besser in den Blick. Nicht der Frieden ist das Zentrum, sondern Gott – Jesus Christus.
Dies ist mein Wunsch für uns alle, für die ganze Christenheit. Lasst uns den Frieden, den Christus alleine bringt, in dieser Welt groß machen. Wenn wir realistisch bleiben und einen gesunden Blick auf unsere Welt haben, dann kann dieser Friede sehr viel verändern. Er beginnt nicht bei den großen Machthabern und Generälen dieser Welt, er beginnt ganz klein, in deinem Herzen – und zieht von dort aus seine Kreise…
Interesse nach mehr?
Hast du Interesse, dich noch mehr mit der Jahreslosung zu beschäftigen? Schau dir gern meine Predigt an, die ich zum Jahresbeginn gehalten habe:
- Gruppenreise Albanien – der Geheimtipp! 22. Mai – 29. Mai 2024
- Trauerredner im Lahn-Dill-Kreis: Simon Birr
- Wie lebt man als Christ im Alltag?
- Von der Kanzel in die Kneipe
- Drei Gedanken für den Jahresrückblick
- Drei Worte zum Jahreswechsel
- LOGOS 10 ist da! – Eine Rezension
- EDC – Every day carry
- Chaos im Homeoffice? 11 Lifehacks für mehr Zufriedenheit
- Ein wichtiger, aber wohl nur für Theologen interessanter Hinweis: Ein König Abimelech zur Zeit Davids wird an keiner anderen Stelle in der Bibel erwähnt. Die Situation, dass David sich verrückt stellt, wird in 1. Samuel 21 beschrieben, allerdings wird der König dort Achisch genannt. Man vermutet, dass Abimelech eine grundsätzliche Bezeichnung für einen Philisterkönig sein könnte, ganz genau kann man es aber nicht sagen.
- THWAT (Bd. 8, S. 17)
[…] damit meine ich keinen Pazifismus, weder im weiten, noch im engeren Sinn. Die Bibel selbst macht es äußerst eindrücklich deutlich, […]
[…] das, was Gott möchte. Hier ist Gott Chef. Das bedeutet: In diesem Reich herrscht Gerechtigkeit. In diesem Reich herrscht Frieden. In diesem Reich gibt es keine Verlierer, es gibt nur […]
so So Gut !
Wow hat mich wirklich Begeistert!
Klasse Beispiele
Ich darf in Absehbarer Zeit selber eine Predigt zur Jahreslosung halten, darf ich bestimmte teile von dir/ Nicht alles 1:1 Übernehmen ?
Vielen Dank im Voraus :)
Herzlich gern! :)