Immer wieder höre ich von frommen Christen, Gott hätte ihnen dieses oder jenes gesagt. In gewissen Kreisen ist es auch üblich, auf Gottes Stimme zu hören und sich so gegenseitig im Glauben zu ermutigen. Das ist nichts Verkehrtes. Gottes Stimme existiert aber nicht losgelöst von unserem Sein. Es ist wichtig, alles zu prüfen. „Geister unterscheiden“ nennt man das im frommen Jargon.
Oft, wirklich sehr oft, kommen mir in bestimmten Situationen Zweifel. Dann nämlich, wenn Menschen etwas Konfrontatives, Negatives als “Gottes Reden für andere” kommunizieren, werde ich skeptisch. Ist das dann wirklich vom Geist Gottes? Oder redet hier ein anderer Geist? Das neue Testament ist sehr klar, dass wir die Geister prüfen sollen. Da reicht es auch nicht, auf einige große Propheten zu verweisen, die vor tausenden Jahren die Menschen mit Gerichtsdrohungen konfrontiert haben.1
Nicht alles kommt von oben!
Das Neue Testament geht selbstverständlich davon aus, dass es neben dem Heiligen Geist auch einen Widersacher gibt2. Dieser Widersacher möchte uns von Gott abbringen, die Beziehung zwischen uns und Gott zerstören, uns auf falsche Wege führen. Auf dieser Basis kommen sowohl Johannes, wie auch Paulus zu dem Schluss, dass wir Menschen alles „überprüfen“ sollen, unterscheiden sollen ob etwas von Gott komme oder nicht.
Unser Sein prägt unseren Verstand.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, durch die unsere Gedanken und Wahrnehmungen in eine falsche Richtung geführt werden. Stolz, Hochmut und Neugierde können ebenso wie erlittene Verletzungen, offene Konflikte oder mögliche Erfolge unsere Sicht beeinflussen. Wahres vermischt sich mit Falschem. Eine Sache wird schwer durchschaubar.
Lass mich das an einem Beispiel festmachen. Stell dir vor, dir ist jemand richtig dumm gekommen. Du wurdest durch einen fiesen Spruch ganz fies verletzt. Mit dieser Verletzung gehst du ins Gebet. Wenn du zu den ganz frommen gehörst, bittest du um Heilung und sprichst vielleicht sogar schnell Vergebung zu. Dann suchst du nach Gottes Reden für diese Situation. Du wirst schnell hören, wie böse dieser Mensch war, der dich verletzt hat. Die negativen Empfindungen werden noch in dir hängen, Verletzungen brauchen viel Zeit zur Heilung. Das ist normal. Das ist menschlich. Wenn du nun deine Empfindungen als Gottes Reden verstehst, wirst du einen sehr schwierigen Weg einschlagen. Fakt ist nämlich, dass jede Verletzung auch auf ein kleines Stückchen Wahrheit zurück geht. Anstatt die bösen Absichten im anderen zu suchen, frage doch mal, warum diese Worte dich so treffen konnten. Für dieses Reden Gottes wirst du schlecht empfänglich sein, es wird dir aber weit mehr helfen, als die Verurteilung des anderen…3
Kann jeder die Geister unterscheiden?
Laut Paulus in gibt es die besondere Gabe der Geisterunterscheidung4. Dermaßen begabte Christen und Christinnen können eine große Hilfe sein, die eigenen Entscheidungen und Motivationen ebenso wie alle Eindrücke und Wahrnehmungen zu überprüfen. Wieder also ein Grund, eine Gemeinde zu haben und mit anderen gemeinsam unterwegs zu sein…
Die Aufforderung „Prüft alles“ ebenso wie die Aufforderung zur Unterscheidung der Geister bei Johannes ist aber an alle Christen gerichtet. Die Aufgabe der Geisterunterscheidung liegt nicht nur bei den wenigen, die besonders dafür begabt sind. Wir alle sind herausgefordert! Wir können das alle auf die Reihe kriegen. Wenn du eine solche Gabe also nicht hast, lehne dich nicht zurück. Nicht jeder Gedanke kommt von Gott. Lass dir nicht von den Ultrafrommen etwas anderes einreden. Gottes Stimme ist kein Instant-Orakel für jede Situation. Setze dich hin und denke über das, was du wahrnimmst, in Ruhe nach.
Wie funktioniert nun die Unterscheidung?
1. Der Geist ist Liebe!
Gott ist die Liebe und jeder, der in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm (1. Johannes 4,16b).
Hier gibt uns Johannes selbst eine Antwort auf die Frage, wie wir Geister unterscheiden können. Gott möchte, dass seine Liebe in unserem Leben Raum gewinnt. Paulus beschreibt diese göttliche Liebe5 als:
- langmütig
- gütig
- eiferlos
- angebereilos
- sich nicht wichtig machend
- nicht ungehörig
- nicht ihren Vorteil suchend
- sich nicht zum Zorn reizen lassend
- das Böse nicht nachtragend
- sich nicht über das Unrecht freuend
- sich an der Wahrheit freuend
- ertragend
- glaubend
- hoffend
- allem Stand haltend.
Gegenteile dieser Liebe zeigen sich in Wirkungen, die nicht aus Gott sind. Wenn wir versucht sind, in eine solche Richtung zu gehen, erkennen wir, dass es nicht Gottes Geist ist, der uns führt. Gegenteile wären:
- Ungeduld
- Richtgeist
- Eifersucht
- Angeberei
- Rechthaberei
- Besserwisserei
- Lieblosigkeit
- Heimtücke
- Ruchlosigkeit
- Jähzorn
- Rachsucht
2. Der Geist ist eindeutig!
Als zweiter Hinweis, um Geister unterscheiden zu können ist das Wesen des Geistes, also das Wesen Gottes wichtig: Der Heilige Geist gibt klare, verlässliche Anweisungen. Er ist nicht sprunghaft oder unsicher. Gott kann uns zwar mit seinen Forderungen massiv herausfordern, vielleicht sogar fast überfordern und uns an die Grenze unserer menschlichen Möglichkeiten bringen, er bleibt aber immer eindeutig und klar. Er verbirgt nicht die Hälfte vor uns und spielt mit uns eine Art Rätselraten…6. Es gibt nur eine Wahrheit. Daher gibt es also einen deutlichen Weg, den der Heilige Geist uns leitet.
Immer dann, wenn Aussagen in deinem Kopf dich verunsichern, alles über den Haufen werfen und von jetzt auf gleich etwas vollkommen gegensätzliches von dir verlangen, als alles, was du im Glauben bisher wahrgenommen hast, solltest du vorsichtig werden.
3. Der Geist verändert unser Leben.
Der Geist verändert Menschen. Das wird mit dem Begriff Heiligung umschrieben. Immer wenn in der Bibel von Heiligung die Rede ist, geht es darum, dass unser Leben anders wird, dass wir den alten Menschen abgelegt haben und erneuert werden7. Der wesentliche Punkt an dieser Stelle ist, dass wir erneuert werden! Heiligung bedeutet nicht, dass wir Aufgaben erkennen, an uns zu arbeiten, damit wir unser Leben veränderten. Heiligung bedeutet, dass unser Leben verändert wird, dass wir unser Herz öffnen und den Heiligen Geist darin arbeiten lassen. Wenn wir Gottes Liebe annehmen werden wir durch diese seine Liebe verändert.
Ganz wesentliche Bereiche des Neuen Testaments sind nur davon geprägt, diese Unterscheidung für die Gemeinden deutlich zu machen. Paulus wendet sich im Galaterbrief ebenso wie Johannes im ersten Johannesbrief im Wesentlichen gegen Überzeugungen, die das Handeln des Menschen und die eigene Verantwortung für die Umgestaltung des Lebens in den Vordergrund stellen.
Ein Geist, der nicht aus Gott kommt, fordert uns genau in diese Richtung hin heraus. Er stellt unsere Selbstgerechtigkeit in den Vordergrund, lässt uns selbst aktiv werden. Es ist aber so, dass wir aus eigener Kraft niemals fähig sein werden, ein Leben nach Gottes Anspruch zu leben. Wenn dies so wäre, wenn es nur die geringste Möglichkeit gäbe, dass Menschen so leben könnten, dass wir vor Gott bestehen könnten, hätte Jesus nicht am Kreuz sterben brauchen, dann gäbe es nämlich noch einen anderen Weg8. Geister unterscheiden heißt also, zu prüfen, wer gerade aktiv werden muss und woraufhin sich diese Aktivität bezieht…
4. Der Geist führt zu Jesus!
Jesus hat alles für uns getan. Er ist am Kreuz stellvertretend für uns gestorben und hat uns befreit. Unsere Aufgabe ist zu glauben, nichts anderes…
Der Geist ist Gott, Jesus ist Gott, also führt der Geist auch immer hin zu Jesus, stellt Jesus in den Mittelpunkt, zeigt keinen Weg an Jesus vorbei!
Lass dir keine Angst machen!
Auf den ersten Blick scheint das nun eine mordsmäßige Aufgabe zu sein, die Geister unterscheiden zu können. Ich möchte dir mit diesem Text aber keine Angst machen. Mit dem Geist Gottes unterwegs zu sein, bedeutet auch, sich mit ihm zu beschäftigen. Wenn du das tust, wenn du mit Gott sprichst – man nennt das beten – und in den Erzählungen über Gott liest – also in der Bibel – wirst du den Heiligen Geist und Gottes Wesen immer mehr kennenlernen. So kannst du seine Stimme wahrnehmen und immer deutlicher unterscheiden, was wirklich von Gott kommt – und was noch in deinem alten Menschen steckt. Es ist ein Weg, ja. Von heute auf morgen funktioniert das nicht, das ist richtig. Der Weg ist aber nicht schwer oder steinig – er ist eindeutig und klar und führt dich zum Guten Kern deines Lebens.
Einen kleinen Gedanken habe ich zum Ende noch. Er kann dir vielleicht ein Rat auf dem Weg sein, den Heiligen Geist immer mehr kennenzulernen: Drücke anderen Menschen keine dummen Sprüche, die du aus einem angeblichen Reden Gottes ziehst. Rede nur das Gute zu ihnen. Das wird schon viel Leid mindern…
- Gruppenreise Albanien – der Geheimtipp! 22. Mai – 29. Mai 2024
- Trauerredner im Lahn-Dill-Kreis: Simon Birr
- Wie lebt man als Christ im Alltag?
- Von der Kanzel in die Kneipe
- Drei Gedanken für den Jahresrückblick
- Wer die Bibel wirklich gelesen und verstanden hat weiß, dass derartige Drohungen immer in einen ganz anderen Rahmen eingebettet sind…
- Schaue zum Beispiel mal bei 1. Petrus 5,8
- Nochmal kurz zur Betonung: Ich spreche hier von verletzenden Worten, nicht von Straftaten oder dergleichen. Bei traumatisierenden Erlebnissen gelten natürlich nochmal ganz andere Rahmenbedingungen!!!
- 1. Korinther 12,10
- 1. Korinther 13 – Aber merke: Das ist die göttliche Liebe, nicht ein menschlich erreichbarer Zustand!
- Schau mal in Johannes 16,13
- vgl. Eph 4,22
- siehe Gal 2,21
Schreibe den ersten Kommentar